SRW Veröffentlichungen

Wasser in Form gebracht,
das Saugrohr 

O. Mitterfelner, Forstinning

 

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Nachdruck aus:

Wasserkraft & Energie 

Nr. 2/2006

Verlag Moritz Schäfer 
Paulinenstraße 43 
32756 Detmold

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Wasser in Form gebracht - das Saugrohr 

Wenn man an Wasserkraft denkt, ist wohl das gute alte Mühlrad für alle am bekanntesten. Das Wasser läuft oben rein, dreht dadurch das Rad und läuft unten wieder raus. Bei einer leistungsfähigen Turbine ist das Prinzip „oben rein, unten raus“ nicht mehr ganz so einfach. Früher baute man vor allem bei kleineren Turbinen senkrechte Saugrohre, die in Schächte hinabführten und sich allmählich erweiterten. Die lotrechte Ausführung hat zwar den besten Wirkungsgrad, jedoch den Nachteil, dass das Fundament sehr tiefreichend sein muss und deshalb hohe Kosten verursacht.

Aufgabe des Saugrohrs

Aus diesen Überlegungen heraus entstand der gekrümmte Saugschlauch; er wird auch Ellbogen-Saugrohr genannt. Er führt das Wasser waagrecht in Strömungsrichtung des Unterwassers ab. In diesem Artikel wird nur das gekrümmte Saugrohr betrachtet, sinngemäß gilt das gleiche für Saugrohre an Rohr- und S-Turbinen, und anderen Ausführungen. 

Das Saugrohr, manchmal auch Saugschlauch genannt, hat die zweifache Aufgabe:

  • Wenn die Turbine höher angebracht ist als der Unterwasserspiegel wird dadurch der Höhenunterschied zwischen Laufradaustritt und Unterwasserspiegel genutzt, der sogenannte Freihang. Man spricht hier von der statischen Saughöhe.

  • Die kinetische oder Bewegungs-Energie, die dem Wasser beim Verlassen der Turbine noch besitzt, wird durch allmähliche Erweiterung des Durchflussquerschnitts zurückgewonnen. 
    Dieser Teil wird als dynamische Saughöhe bezeichnet [3]. Daher kommt der Name Saugrohr, weil das Wasser durch die Turbine „gesaugt“ wird.

Dabei stellt sich die Frage, für welche Arten von Turbinen ein Saugrohr sinnvoll ist: Wie oben erwähnt, dient das Saugrohr dazu um Stauhöhenverluste zu vermeiden, die durch den freien Fall des Wassers von der Turbine bis zum Unterwasser entstehen. Dieses kann bei allen Turbinenarten der Fall sein, bei Kaplan-Turbinen, aber auch bei Francis-Turbinen. Durchströmturbinen (z. B. Ossberger) benötigen ein  recht einfaches Saugrohr das aus einem senkrechten Kasten besteht, der  in das Unterwasser hinabreicht. Bei Pelton-Turbinen ist ein Saugrohr nicht sinnvoll, da die Höhen-Verluste prozentual gesehen fast zu vernachlässigen sind. 

Bei Turbinen die eine kleinere Austrittsgeschwindigkeit haben, können die Saugrohre ohne Erweiterung ausgeführt werden, z. B. Brümmer-Turbine  oder Durchström-Turbine. Wobei bei der Durchströmturbine statt einer Erweiterung oft eine Verjüngung vorgenommen werden muss. Durchström-Turbinen sind Freistrahl-Turbinen wie die Pelton-Turbine,  somit muß das Laufrad über dem Unterwasserspiegel laufen. Der Unterwasserspiegel wird durch das Saugrohr angehoben und durch ein Luftventil unterhalb des Laufrades gehalten. Bei kleiner Beaufschlagung muss das abströmende Wasser schneller sein, als die Luftblasen aufsteigen. Hierdurch können bei Vollast im Saugrohr Wassergeschwindigkeiten bis  zu 3m/sek entstehen. Das Saugrohr wurde angeblich erstmals bei einer Turbine der Fa. Henschel in Kassel verwendet. 

Um die Baugröße von schnellläufigen Turbinen nicht zu groß zu gestalten, lässt man höhere Laufrad-Abströmgeschwindigkeiten zu. Bei einer Überdruckturbine (z. B. Kaplan) beinhaltet der Wasserstrom nach Austritt aus dem Laufrad noch Geschwindigkeitsenergie, die der Turbine zur Umsetzung zu mechanischer Arbeit für die Stromerzeugung verloren geht.  In der Literatur werden dafür folgende Werte angegeben: Im Volllastbetrieb bis zu 30% bei Francis-Turbinen und bei Kaplan-Turbinen aufgrund ihrer Schnellläufigkeit teilweise sogar 50% der verfügbaren Energie. Damit diese Energie nicht komplett verloren geht, wird am Laufradaustritt der Saugschlauch angeschlossen. Der Saugschlauch erzeugt einen künstlichen Unterdruck am Turbinenaustritt, wodurch das Wasser durch die Turbine gesaugt wird.

Hinzu kommt die Möglichkeit, die Anordnung der Turbine über den Unterwasserspiegel zu legen – man spricht von der geheberten Ausführung  - , woraus sich verschiedene Vorteile ergeben. Z. B. kann bei geringer Stauhöhe das Saugrohr kostengünstiger gestaltet werden; die Turbine kann auch kompakter ausgeführt werden und die Turbine ist besser zugänglich,  da sie über dem Unterwasserspiegel liegt.  Die Hauptaufgabe des Saugschlauches ist folglich die Rückgewinnung der Geschwindigkeitsenergie, und auch die energetische Ausnutzung des Freihangs. 

Aufbau eines Saugrohres

Der Saugschlauch gliedert sich in drei Abschnitte. Der erste Abschnitt liegt direkt hinter dem Turbinenaustritt. Er wird als lotrechter oder Eintrittsabschnitt bezeichnet und weist einen kreisförmigen Querschnitt auf, der sich unter einem flachen Winkel nach unten hin konisch erweitert.  Der Eintrittsabschnitt geht in die gekrümmte Strecke, den Krümmer, über.  Der Krümmer muß sehr gut ausgestaltet sein um die Verluste aus der Richtungsänderung so gering wie möglich zu halten. Er stellt die  schwierigste Aufgabe der Saugschlauchkonstruktion dar. Der letzte  Abschnitt beinhaltet den liegenden oder Auslaufabschnitt als Verbindung  zum Unterwasser. Im Normalfall erweitern sich alle drei Abschnitte diffusorartig. Bei manchen Konstruktionen ist im Bereich des Krümmers keine Erweiterung eingebaut, um ein Ablösen der Strömung, und damit Verluste, zu vermeiden. 

Ausbildung des Saugschlauches

Die Ausbildung des Saugschlauches ist immer ein Kompromiss zwischen strömungstechnisch günstiger Gestaltung und wirtschaftlichen Faktoren. „Mosonyi“ hat Richtlinien aufgeführt, die Schritt für Schritt die Ausbildung eines Saugschlauches angeben [3].

Richtlinien zur Saugschlauchausbildung

Bestimmung des Austrittsquerschnittes

Der Austrittsquerschnitt wird so gewählt, so dass die  Strömungsgeschwindigkeit etwa 1 bis maximal 2 m/sec beträgt.

Berechnung der Länge des Saugschlauches

Die Länge des Saugschlauches ergibt sich aus der Forderung, dass sich der Saugschlauch von de Turbine bis zum Austrittsquerschnitt nur langsam erweitern soll. Die Länge der Mittellinie hängt von der Größe der Querschnittserweiterung ab. Die zulässige Saugschlaucherweiterung wird durch den Winkel „delta “ für die Kegelneigung vorgegeben. Die Grenzwerte  der Winkel liegen zwischen 8° und 12°. 

Linienführung des Saugschlauches. 

Die Linienführung sollte aus strömungstechnischen Aspekten eine lange lotrechte Strecke vom Laufradaustritt enthalten, mit Übergang zum sanft gebogenen Krümmer. Diese Ausführung hat jedoch zu große Ausmaße, welche die Gründungskosten erheblich steigern würden. Es muss folglich eine befriedigende Lösung für beide Seiten konstruiert werden.  Ausgehend von der Höhenlage des Eintrittsquerschnittes wird ein Saugschlauchlängsschnitt mit der Länge „L“ angenommen und aufgrund von Erfahrungen der Innenfläche eine Krümmung gegeben, deren Halbmesser größer als „0,6 x Ds“ sein sollte. Bei jedem Längsschnitt vermeidet man plötzliche Erweiterungen oder Wellungen, um Strahlablösungen zu verhindern.

Das Saugrohr ändert seine Querschnittsform von kreisförmig auf der Strecke A-B, die Ellipse (B-C), das anfangs abgerundete Rechteck (C-D) und schließlich das Rechteck an sich (D-E) sind. Die Ellipse kann auch übergangen werden, die Ausbildung erfolgt dann mit verschieden großen Viertelkreisstücken, die durch Geraden verbunden werden.

Vorschläge für die Ausbildung von Saugschläuchen

Für die Ausbildung des Saugrohres geht man vom Durchmesser „Ds“ des Turbinenaustrittsquerschnittes aus. Nach Quantz / Meerwarth [2] können  die Werte aus der Abbildung 2 entnommen werden. 

Zum Vergleich seien hier die von „Sigloch“ [1] aufgeführten Werte aufgelistet:

Die Austrittsgeschwindigkeit vom Saugschlauch sollte in der Regel etwa 1 Meter pro Sekunde betragen, was der Geschwindigkeit vom Unterwasser entspricht. Diese geringen Geschwindigkeiten werden von Langsamläufern auch ohne Hilfe des Saugschlauches erzielt, so dass man hier auf einen ausgeformten Saugschlauch verzichten kann.

Ein konkretes Beispiel

In Abbildung 3 ist ein konkretes Beispiel eines Saugrohrs dargestellt, für eine doppelt regulierte Kaplan-Turbine. 4,5 m Stauhöhe. Der Durchmesser an der Turbine beträgt 200 cm, der Austrittsquerschnitt am Unterwasser ist 6,00 x 2,00 m. Die Saugrohrlänge beträgt vom Turbinemittelpunkt bis Saugrohr-Ende 11m. Bei 17 m3/sec ergebt sich eine Austrittsgeschwindigkeit von ca. 1,4 m/sec. Die Spitzen-Leistung wird bei ca. 570kW liegen. 

In Abbildung 4 sieht man den Krümmer des Saugrohrs in dreidimensionaler Darstellung. Abbildung 5 zeigt den Krümmer von der Seite, Abbildung 6 von oben, und Abbildung 7 in Richtung Austritt. Auf Abbildung 8 - 10 sind schließlich noch einige Querschnitte zu sehen: Rund am Beginn der Turbine, rechteckig und flach am unteren Ende des Krümmers bei etwa gleichbleibendem Querschnitt, bis zur Erweiterung am Austritt des Saugrohrs. Die Erweiterung und damit die Saugwirkung findet hier also erst im horizontalen Teil statt, die Geschwindigkeit der Strömung fällt entsprechend von ca. 5,5 m/s am runden Querschnitt, bis hin zu 1,4 m/s am Austritt.

Noch ein Wort zur Einstellung der doppelt geregelten Kaplan-Turbine: Die Zuordnung von Leitapparat zu Laufrad ist wesentlich für einen optimalen Wirkungsgrad; für eine Grundeinstellung, sagt man, soll der Austritt des Wassers aus dem Saugrohr gleichmäßig über die Breite verteilt sein; insbesondere bei Teillast. Eine genauere Einstellung ist durch Messungen möglich, z. B. Position Leitapparat zu Laufrad mit der zugehörigen Leistung, bei gegebener Wassermenge. Manchmal ist dadurch eine Verbesserung des Wirkungsgrades um einige Prozentpunkte, bis hin zu 10%, möglich. 

Schlussbetrachtung

Man erkennt, wie wichtig ein gut gestaltetes Saugrohr für einen optimalen Wirkungsgrad ist, insbesondere bei Kaplan- und Francis-Turbinen.  

In einem folgenden Artikel wird über die Erstellung einer Saugrohrschalung aus Holz berichtet; wie sie entsprechend der Zeichnung erstellt wird, zur Baustelle kommt, und dort mit Beton umgossen wird.

Mit freundlicher Unterstützung:
Fa. Gugler Hydro Energy

Literaturverzeichnis

[1] “Strömungsmaschinen“: Grundlagen und Anwendungen, 
2. Auflage 1993, Sigloch, H.
[2] “Wasserkraftmaschinen“: Eine Einführung in Wesen, 
Bau und Berechnung von Wasserkraftmaschinen und Wasserkraftanlagen, 
1. Auflage 1963, Quantz/Meerwarth
[3] “Wasserkraftwerke - Band 1“ : Niederdruckanlagen, 2. Auflage 1966, Mosonyi, E.

Abbildungen:
1. Querschnittsausbildung des Saugschlauches nach dem
Linearerweiterungsverfahren von „Mosonyi“ 
2. Entwurfshilfen für den Saugschlauch nach „Quantz/Meerwarth“
3. – 10. Fa. Gugler Hydro Energy


 

 

 
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